TU-Informatiker: Hoch qualifiziert, am Markt vorbei

23. August 2016 IT-Standort

Heimische Betriebe suchen nicht nur Akademiker, sondern vor allem HTL-Absolventen.

Groß war der Aufschrei, als die Technische Universität (TU) Wien kürzlich die Studienplätze für Informatik gleich um die Hälfte auf 581 Plätze reduzierte. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung drohe ein akuter Informatikermangel, der die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes gefährde, so der Tenor.

Aber stimmt das auch? Praktiker aus der Wirtschaft zeichnen ein anderes, etwas differenzierteres Bild vom angeblichen Informatikermangel in Österreich. Die klein- und mittelständisch geprägte heimische Wirtschaft brauche gar nicht so viele hochqualifizierte TU-Absolventen, meint etwa Peter Lieber, Vorsitzender des Verbandes Österreichischer Softwareindustrie (VÖSI): „Wir haben keinen Fachkräftemangel, sondern einen Fachkräftebedarf“, sagt Lieber zum KURIER.

Dem Branchensprecher fehlen „kreative Geister“ ebenso wie „Visionäre“ und „Leute, die zupacken können und wollen“. Von den jährlichen 200 Informatik-Absolventen der TU Wien seien vielleicht 20 in der heimischen IT-Wirtschaft einsetzbar, behauptet Lieber. Und selbst dann hätten Firmenchefs Bedenken, ob sie die Akademiker auch längerfristig halten können. Viele würden ins Ausland gehen oder sich selbstständig machen.

So wichtig und gut die internationale Forschung an den technischen Universitäten sei, so wenig praxistauglich seien oft die Qualifikationen der Absolventen. Lieber spricht von einem „Akademisierungswahn“, der zunehmend auch die Fachhochschulen erfasse. „Diese sind früher viel praxisorientierter gewesen und eifern jetzt den Unis nach, leider.“

In der heimischen IT-Branche am stärksten nachgefragt seien HTL-Absolventen, dort gebe es aber nach wie vor einen akuten Frauenmangel, bedauert Lieber diesbezüglich wenig ambitionierte Maßnahmen. Generell fordert er „mehr digitale Kompetenz in allen Lebenslagen“, schließlich komme fast keine Branche künftig ohne Software aus. KURIER