VÖSI war dabei: Kritische Betrachtungen zum Bürgerinnendialog zu Automatisierter Mobilität von Rüdiger Maier (3)

29. April 2019 IT-Standort

Am Samstag, 6. April 2019, beteiligten sich fast 170 Personen in Österreich an einem Bürgerinnen-Dialog zu Automatisierter Mobilität. Auffallend war dabei, dass gerade zu solchen Themen der Digitalisierung ein deutliches Informationsdefizit besteht. Dies eröffnet also ein breites Tätigkeitsfeld für den VÖSI und ähnliche Institutionen.

Bericht von DI Rüdiger Maier, VÖSI, Leiter Themennetzwerk „Gesellschaftliche Aspekte der Digitalisierung“

Die vier Teile der Befragung

Der erste Teil der Befragung war als Einstimmung noch sehr allgemein gehalten, drehte sich um den derzeitigen Mobilitätsalltag und fragte nach je drei positiven/negativen Effekten einer Automatisierten Mobilität. Im folgenden Abschnitt ging es um das Vertrauen in Computersysteme. Es entwickelte sich ein großes Übergewicht auf die Sicherheit automatischer Mobilität (…Menschen können Fehler machen, Computer nicht…) und es zeigte sich auch eine verwirrende Vermischung der fünf Autonomie-Stufen (einfache Assistenzsysteme bis hin zu völlig computergesteuertem Fahren). Dabei zeigte sich einmal mehr die schon gut erforschte Tatsache, dass Menschen Maschinen oft mehr vertrauen als anderen Menschen. Dieses oft blinde Vertrauen fußt aber meist auf einer grundsätzlichen Unkenntnis von Themen wie Softwareentwicklung, Datensicherheit, Komplexität etc. Solche schwer verständlichen Themen werden gerne verdrängt (…ist mir zu kompliziert…) und gleichzeitig idealisiert (…die Experten werden es schon wissen…). Daraus folgt oft der Glaube, dass sich damit Probleme lösen ließen, die von Menschen kontrovers diskutiert und die in der Gesellschaft von unterschiedlichen Interessensgruppen konträr interpretiert werden. Für demokratische Gesellschaften ist es aber unerlässlich, sich der Diskussion zu solch kontroversen Themen auszusetzen, die verschiedenen Interessen offen zu diskutieren und letztlich einen Kompromiss im Interesse des Gemeinwohls zu finden. Solche Aushandlungsprozesse mit entsprechend aufbereitetem Informationsmaterial und ausreichend Diskussionsmöglichkeiten zu fördern, sollte eine zentrale Aufgabe öffentlicher Stellen und von Verbänden wie dem VÖSI sein.

Bei der anschließenden Betrachtung der Szenarien der Automatisierung war anhand von vorgelegten Aussagen von Betroffenen abzuklären, welches Szenario wem den größten Nutzen bringen könnte. Sehr klar wurde dabei, dass automatisierte Privatautos nicht als sinnvoll angesehen werden und letztlich der Ausbau des Öffentlichen Personen Nahverkehrs (ÖPNV) der Gesellschaft den meisten Nutzen bringen könnte. Dabei blieb aber die Frage offen, ob die hohen Kosten der Automatisierung nicht besser gleich in den schon derzeit bestehenden ÖPNV investiert werden sollten und auch so die anstehenden Probleme rasch und budgetschonender zu bewältigen wären.

Der abschließende Teil war der Frage gewidmet, welcher gesellschaftlichen Gruppe (Stakeholder) in welchem Themenbereich am meisten Vertrauen geschenkt wird. Unserer Gruppe fiel zunächst gleich auf, dass die Zivilgesellschaft dabei gar nicht vorkam, sondern allenfalls NGOs als deren Vertreter angesehen werden könnten. Angesichts der zunehmenden Aktivitäten aus dem „nicht-organisierten“ Bereich der Zivilgesellschaft erscheint dieser Ansatz veraltet, indem er die Bürgerinnen weiterhin von einer allgemeinen Mitwirkung bei der Lösung entsprechender Fragen ausschließt und als wichtige Ressource für demokratische und haltbare Aushandlungsprozesse ignoriert.

Generell fehlte mir bei der Veranstaltung die Einordnung der Automatisierten Mobilität in den Gesamtkontext der heute schon sehr gut ausgearbeiteten Notwendigkeiten, um einen Zusammenbruch des weltweiten Klimasystems zu verhindern. Unzählige aktuelle Studien zeigen auf, dass die einseitige (technokratische bzw. monothematische) Betrachtung eines Veränderungsprozesses fast immer zu vielen unerwünschten „Nebenwirkungen“ (die dann zu „Hauptwirkungen“ werden) führt, die letztlich die Gesamtsituation verschlechtern. Daher sollte auch jede Bürgerinnen-Partizipation diese grundlegenden Einsichten berücksichtigen und entsprechend dem jeweils ausgewählten Setting umsetzen.

Die Gesamtergebnisse des Bürgerinnen-Dialogs zu Automatisierter Mobilität werden voraussichtlich im Herbst 2019 vorliegen und sollen dann auch verbreitet bzw. weiter diskutiert werden.

Zeitplan des Bürgerinnen-Dialogs zu Automatisierter Mobilität:

Europa: April – Juni 2019, Singapur: April 2019, USA: Mai – August 2019, Kanada: Juni 2019

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