Art of Hosting: Eine Kultur der Zusammenarbeit: ein VÖSI Erfahrungsbericht von Rüdiger Maier

11. Oktober 2019 Bildung/Forschung

Peter Lieber, VÖSI Präsident und Rüdiger Maier, Leiter Themennetzerk „Gesellschaft & Digitalisierung“ besuchten für den VÖSI vom 3.-5. September 2019 im Bregenzer Festspielhaus ein vom Büro für Zukunftsfragen (Vorarlberger Landesregierung) veranstaltetes Training für eine „Kultur der Zusammenarbeit“ (Englischer Originaltitel: The Art of Hosting and Harvesting Conversations that Matter; kurz AoH). AoH ist keine neue Methode, sondern eine Praxis, bei der Haltungen, Methoden und die Arbeit an interessanten Inhalten mit unterschiedlichsten Personen verbunden werden. AoH baut auf zahlreiche altbewährte Methoden auf, steht für Ko-Intelligenz, Zusammenarbeit und Selbstorganisation. Es ist als Open Source-Technologie organisiert und gewissermaßen das Linux für Veränderungsprozesse. Tausende von Personen in der ganzen Welt entwickeln den Ansatz laufend weiter, er ist mittlerweile in Nord- und Südamerika, Europa, Afrika und Asien verbreitet. Der AoH-Ansatz wird von vielen Personen in unterschiedlichen Bereichen angewendet.

Folgende Fragen stehen bei einem AoH Training im Fokus:

  • Wie kann es gelingen, dass Menschen miteinander begeistert an einer Frage oder an einem Ziel arbeiten?
  • Wie kann es uns in einer Welt voller Herausforderungen und Unterschiedlichkeiten gelingen, gemeinsam gute Lösungen für wesentliche Fragen zu finden?
  • Welche Strukturen und Prozesse brauchen wir dazu?
  • Welche Haltungen können uns dabei unterstützen, ungewisse oder schwierige Situationen besser zu handhaben?
  • Wie lässt es sich gut an gemeinsamen Projekten arbeiten, damit viele Stimmen gehört werden und dennoch ein effizienter Fortschritt möglich ist?
  • Welche altbewährten und innovativen Methoden sind wann hilfreich?
  • Und wie können wir einen Wandel hin zu einer Kultur des Miteinanders aktiv gestalten?

Seit 2011 finden AoH Trainings auch in Österreich statt

Seit 2003 gibt es weltweit dazu auch Trainings, 2011 brachte das Büro für Zukunftsfragen das Konzept nach Österreich und veranstaltet seitdem jährlich ein Training für etwa 100 Personen. Das Besondere an AoH ist, dass es vor allem eine Philosophie, eine klare Haltung definiert: Es steht für Co-Intelligenz, Zusammenarbeit und Selbstorganisation, für Beteiligung und Kooperation. AoH geht davon aus, dass wir bessere, tauglichere Lösungen für Herausforderungen finden und umsetzen können, wenn wir mit einer bewussten und offenen Einstellung kooperieren. Letztlich sind die aktive Einladung und die gelungene Integration einer Vielfalt von Meinungen und Ansichten ganz wesentliche Voraussetzungen, um schließlich zu guten, gehaltvollen und gemeinsam getragenen Lösungen zu kommen

Eine Mischung aus Theorie und Praxis

Das AoH Training besteht aus einer Mischung von Theorieeinheiten und praktischen Übungen, bei denen man verschiedene Methoden praktisch erprobt. Dabei gelten für jede Methode genau festgelegte Prinzipien, um den Erfolg sicherzustellen. So wurden Peter Lieber und ich gleich am ersten Tag eingeladen, eine erlebte Geschichte aus dem beruflichen Alltag vorzutragen. Die Methode dazu nennt sich „Gemeinsames Lernen von Geschichten“. Sie verbindet drei unterschiedliche Elemente miteinander: Geschichten erzählen, Gastgeben und Ernten. Wir entschieden uns dafür, unseren Weg hin zu einer mehr produktorientieren Firma darzustellen. Dazu gesellten sich ein Gastgeber und vier Personen, die als Zuhörer und Fragende für die „Ernte“ zuständig sind. Sie reflektierten unsere Erzählung aus unterschiedlichen Blickwinkeln und fertigten dazu Notizen an. Nach einer Vorbereitungseinheit am Nachmittag saßen wir dann abends für eineinhalb Stunden beim „Lagerfeuer“, erzählten die Geschichte und diskutierten darüber, was wir alle gemeinsam daraus lernen könnten.

Projektschmiede für konkrete Projekte

Der ganze letzte Tag war mit der „Projektschmiede“ (Design for Wiser Action) einer zentralen Methode zur Arbeit an einem konkreten Projekt gewidmet. Ich konnte hier ein Projekt zum Thema „Digitalisierung und Nachhaltigkeit“ einbringen und versuchte, von der „Weisheit der Vielen“ zu profitieren. Der durchaus aufwendige Prozess hinter der Projektschmiede ermöglicht es einerseits, Hilfe und kluge Unterstützung zu konkreten Prozessen einzuholen. Andererseits bietet sich hier die Gelegenheit, AoH (Haltung, Methoden etc.) anhand von realen Situationen auszuprobieren bzw. anzuwenden. Regelmäßige Projektschmieden werden übrigens sowohl vom Büro für Zukunftsfragen (verschiedene Orte in Vorarlberg) als auch von den Pioneers of Change (Wien) abgehalten. Dort kann man entweder selbst ein Projekt einbringen oder im Gastgeberteam mitwirken.

Im AoH Training zeigte sich jedenfalls sehr deutlich, dass die hier vermittelte Haltung und die verschiedenen Methoden auch für Verbände wie den VÖSI sehr nützlich sein können und dabei helfen, gute und tragfähige Lösungen für neue Herausforderungen zu finden. Für Vereine und Verbände hat sich etwa die Methode „Pro-Action-Café“ bewährt, eine Mischung aus World Café und Open Space.

Weitere Infoquellen:

www.aoh-vorarlberg.at/projektschmiede/

pioneersofchange.org/kalender/ideen-und-projektschmiede/

www.partizipation.at (Viele Informationen zu den AoH Methoden)

Bild: Etwa 100 Personen nahmen heuer beim AoH Training im Bregenzer Festspielhaus teil