WOMENinICT Umfrage: Geringer Frauenanteil in der IT-Branche hat viele Ursachen

  • Auftakt für Mentoring Programm „GRACE“
  • WOMENinICT Rolemodel-Event-Serie wird fortgesetzt

 Warum arbeiten so wenige Frauen in der ICT-Branche und was können wir dagegen tun? –Diese Frage hat WOMENinICT, die unabhängige Plattform im VÖSI, Frauen der ICT-Branche gestellt. Das Resultat der Umfrage zeigt: Schule/Ausbildung, soziales Umfeld, mangelnde Vorbilder, aber auch aktuelle Arbeitsbedingungen spielen (negativ) zusammen – WOMENinICT startet daher im Juni das Mentoring-Programm „GRACE“ und wird die 2020 gestartete Rolemodel-Eventreihe fortsetzen.

Ein Blick in viele IT-Unternehmen zeigt: Männer dominieren nach wie vor, vielfach liegt der Frauenanteil bei nur rund 20 Prozent. Bei den IT-Jobs ist der Frauenanteil meist noch geringer im einstelligen Bereich. Faustregel: Je technischer ein Beruf ist, desto weniger sind Frauen anzutreffen. WOMENinICT, die im Februar 2020 von sechs Frauen aus der Branche gegründete unabhängige Plattform im Verband Österreichischer Software Industrie (VÖSI), hat Frauen aus den Mitgliedsbetrieben und aus ICT-Unternehmen gefragt: Warum arbeiten nicht mehr Frauen in der ICT? Wie kann der Frauenanteil in der ICT-Branche erhöht werden? Und welche Maßnahmen sollte WOMENinICT setzen? (ICT: Information and Communication Technology)

An der Umfrage, die im November und Dezember 2020 durchgeführt wurde, haben 51 Frauen mittels Fragebögen und qualitativen Einzelgesprächen teilgenommen. Die Umfrage hat vier Problemfelder aufgezeigt:

  • Schule und Ausbildung: Die Frühförderung in der Schule fehlt, um das Interesse für MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) bei Mädchen zu wecken. Zudem sprechen „informatische Angebote“ Mädchen ab ca. 12 Jahren nicht an bzw. sind eindeutig Buben-orientiert. Gerade im Volksschulalter sind Mädchen genauso für das spielerische Programmieren und für Mathematik, die Grundlage für Informatik, zu begeistern.
  • Soziales Umfeld: Vielfach raten Eltern, Verwandte und Freunde Mädchen von einer IT-Ausbildung und dem Einstieg in die IT-Branche ab, so die Umfrageergebnisse. Gängige Vorurteile wie „IT ist nichts für Mädchen“ oder „Da gibt es nur lauter Nerds“ dominieren. Damit wird das Klischee „IT ist eine Männerdomäne“ nach wie vor genährt.
  • Unternehmen und Arbeitsumfeld: Frauen werden zwar umworben, aber bei gleicher Qualifikation oft schlechter bezahlt. Sie werden in der Organisation sowie in ihrer Karriere mittel- bis langfristig häufig auch übergangen oder von Männern „ausgebootet“.
  • Rollenverständnis: Es gibt zu wenig weibliche Rolemodels in IT-Berufen, wurde durchgängig von einem Großteil der Befragten festgestellt.

Eines steht fest: „Gender Equity, gleiche Bezahlung für den gleichen Job sowie gerechte Karrierechancen sowohl für Mitarbeiterinnen als auch Mitarbeiter sollten in jedem Unternehmen Top-Priorität beim Management sein“, betont WOMENinICT-Mitgründerin, Studienautorin und IT-Marketing-Expertin Salomé Wagner.

„Wir brauchen noch viel mehr weibliche Vorbilder, die Mädchen zeigen, was möglich ist. Und wir brauchen viel mehr an Aufklärung und Information für Schülerinnen, Eltern, Lehrer und Bildungsberater. Es fehlt einfach an Wissen, welche IT-Berufe es gibt und dass diese selbstverständlich auch von Frauen erlernt und ausgeübt werden können“, stellt WOMENinICT-Initiatorin, IT-Fachjournalistin und Moderatorin Christine Wahlmüller fest.

Welche Maßnahmen machen Sinn?

Gefragt nach sinnvollen Maßnahmen, um mehr Mädchen und Frauen für die ICT-Branche zu gewinnen, sehen die Befragten drei Prioritäten: An erster Stelle liegt der Themenbereich Schule, gefolgt von Aktivitäten, um das Bild der Frau in der ICT-Branche zu stärken. An dritter Stelle wird von den Befragten ein besseres internes Frauen-Networking in der Branche genannt. Bei der Umfrage wurden auch konkrete Maßnahmen-Vorschläge eingebracht:

  • Mehr Informatik-Unterricht an Schulen: Die Mehrheit wünscht sich, dass alle Schülerinnen und Schüler zumindest ein bis zwei Jahre verpflichtend programmieren lernen sollen. Gleichzeitig wird eine spielerische Vermittlung von informatischem Grundwissen („Computational Thinking“) schon für die Volksschule vorgeschlagen.
  • Sichtbarmachen von Frauen: Mehr Rolemodels und Vorbilder. Hier sind die Unternehmen selbst gefordert, ihre Mitarbeiterinnen vor den Vorhang zu holen: Als Sprecherinnen bei Konferenzen, als Projektleiterinnen, bei PR-Maßnahmen, bei Schnuppertagen im Unternehmen oder beim IT-Recruiting als Vorbilder.
  • Gender Equity und Diversity: Unternehmen sind gefordert, für echte Gleichberechtigung, gleiche Bezahlung für gleiche Jobs unabhängig von Geschlecht und Diversität in Teams zu sorgen. Gleichzeitig sollten Frauen gezielt in ihren Karriere- Entwicklung gefördert werden und nicht – etwa bedingt durch Karenzpausen oder Teilzeit-Tätigkeiten – aufs Abstellgleis geschoben werden.

Salomé Wagner hebt weitere Fähigkeiten hervor, die bereits in der Schule, vermittelt werden sollten: „ICT umfasst auch die Kommunikation über die Problemlösung und Weiterentwicklung bestehender Technologien, die im Team erarbeitet werden. Diese Team- und Lösungskompetenz gehört bereits ab der frühen Schulzeit bewusst gefördert, denn ICT bietet mehr als Technik.“

Start für WOMENinICT-Mentoring-Programm „GRACE“

Ausgehend von den Ergebnissen der Umfrage startet WOMENinICT ab Juni mit dem Mentoring-Programm „GRACE“, in Anlehnung an die großartige US-Informatik-Pionierin Grace Hopper (1906 -1992), die etwa 1952 den ersten Compiler entwickelte und die an der Entwicklung der Programmiersprache COBOL in den 1950er Jahren maßgeblich beteiligt war.

Beim Mentoring-Programm werden zunächst alle sechs Gründerinnen von WOMENinICT für jeweils drei Online-Gespräche jungen Frauen zur Verfügung stehen. Weitere Mentorinnen werden das Programm ab September unterstützen. „Die Pandemie hat viele Herausforderungen mit sich gebracht. Auch für Networking und Präsenzveranstaltungen ist es schwierig geworden. Wir von WOMENinICT haben daher ein Mentoring-Programm geschaffen, wo wir von Frau zu Frau unterstützen – und das persönlich, individuell und erfolgsorientiert“, sagt Gerlinde Macho, Geschäftsführerin von MP2 IT Solutions. Kontaktaufnahme: www.voesi.or.at/womeninict sowie auf der Facebook und LinkedIn Site von WOMENinICT. Mail: womeninict@voesi.or.at

 WOMENinICT-Rolemodel-Eventreihe

„Frauen ziehen Frauen nach sich – wenn eine Frau in einem IT-Job oder als IT-Teamleiterin agiert, wirkt sie als Vorbild für andere“, weiß Brigitte Rafael, promovierte Informatikerin und IT Certified Specialist bei IBM, um die Bedeutung von Rolemodels. WOMENinICT hat bereits 2020 eine Rolemodel-Eventreihe gestartet. Im Juli 2020 fand „Software Developerinnen – NOW“ statt, im November 2020 „IT-Security-Expertinnen – NOW“. Insgesamt haben dabei bereits rund 30 Frauen ihren Job, ihren Werdegang und Arbeitsalltag vorgestellt. Diese Event-Reihe wird im Herbst 2021 fortgesetzt.

Networking und mehr Sprecherinnen

„Frauen brauchen Präsentations- und Networking-Möglichkeiten“, unterstreicht WOMENinICT Mitbegründerin Bettina Hainschink, Safe Agilist und Geschäftsführende Gesellschafterin von Con.Ect Eventmanagement. Ihr ist es ein wichtiges Anliegen, mehr Frauen Präsentationsmöglichkeiten auf IT Trend-Events zu bieten. Hier sind auch die Unternehmen gefordert, mehr Frauen als Sprecherinnen zu nominieren und zu fördern. „Frauen haben zudem als Trainerinnen und Expertinnen in Zeiten von Agilem Leadership eine wichtige Rolle“, ist Hainschink überzeugt.

Bild: WOMENinICT wurde Anfang 2020 von sechs Frauen der Branche gegründet: (v.l.): Gerlinde Macho, Brigitte Rafael, Salomé Wagner, Orsolya Nemeth, Christine Wahlmüller und Bettina Hainschink  Foto: WOMENinICT