Barrierefreiheit für digitale Produkte ab 2025 verpflichtend
Beitrag von Werner Rosenberger (Businessart) – VÖSI Mitglied Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs – VÖSI SIG „Accessibility in ICT“
Online-Barrieren wirken sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf wirtschaftlicher Ebene: So wird Menschen mit Behinderungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (z.B. Mobilität) und der Einstieg ins Arbeitsleben erschwert (Mobilität, Arbeit am PC), aber auch beim Konsum gibt es Behinderungen (Online-Shops). Dies soll durch das Gesetz geändert werden.
Breiter Geltungsbereich
Das neue Barrierefreiheitsgesetz gilt für alle österreichischen Unternehmen ab zehn Mitarbeitenden und/oder zwei Millionen Euro Jahresumsatz und für alle digitalen Produkte und Dienstleistungen, die am EU-Markt angeboten werden – also auch für Importeure und Händler.
Die Regelung gilt sowohl für Online- und Softwareprodukte, wie z.B. Webshops und E-Banking-Systeme, als auch für digitale Hardwareprodukte, beginnend mit Bankomaten über TV-Geräte bis hin zu E-Book-Lesegeräten. Ganz besonders sind Personenverkehrsdienste betroffen. Hier müssen alle Websites sowie Ticket- und Selbstbedienungsterminals am Bahnhof bzw. Flughafen barrierefrei zugänglich sein – baulich wie digital.
Als geltende Norm im Barrierefreiheitsgesetz wird die Europäische Norm EN 301 549 herangezogen. Sie enthält alle Anforderungen der Barrierefreiheit von Produkten und Services der Informations- und Kommunikations-Technologie. Alles, was auf HTML basiert, wird in dieser EU-Norm auf die internationalen WCAG-Richtlinien referenziert.
Die Monitoring- und Beschwerdestelle für Österreich wird im Sozialministerium installiert. Diese neue Überwachungsstelle kann bei Verstößen gegen das Gesetz ab 2025 Bescheide ausstellen. Eine Beschwerde dagegen kann nur an das Bundesverwaltungsgericht gerichtet werden, also nur an die oberste gerichtliche Stelle in Österreich.
Auf den ersten Blick klingt diese neue gesetzliche Regelung sehr hart, aber die Politik verspricht sich dadurch einen enormen Innovationsschub im digitalen Bereich in Europa. Barrierefreiheit ist gleichzusetzen mit einfacher und leichter Bedienung (Ease-of-Use-Ansatz). Damit soll der allgemeine Konsum erleichtert, aber auch die Zugänglichkeit des Arbeitsmarktes für Menschen mit Behinderungen verbessert und die Inklusion gefördert werden.
Was sollen Unternehmen jetzt tun?
Die Verantwortlichkeit für digitale Barrierefreiheit festlegen bzw. eine entsprechende Position schaffen. Website- und Produkt-Verantwortliche sollten den aktuellen Status analysieren und den notwendigen Veränderungsprozess konzipieren, mit dem Management vereinbaren und mit der Umsetzung starten. Bei der Ausschreibung neuer Websites oder Online-Shops sollten die Web Content Accessibility Guidlines (WCAG 2.1 – Konformität AA) als umzusetzende Norm beauftragt werden. Von Anfang an mitbedacht, ist die digitale Barrierefreiheit viel leichter und kostengünstiger umzusetzen, als wenn sie nachträglich korrigiert werden muss. Umgesetzt auf bauliche Maßnahmen zur Barrierefreiheit, ist z.B. ein Lift für ein Hochhaus nur ein minimaler Kostenpunkt im Vergleich zu den Gesamtkosten eines barrierefreien Gebäudes. Wenn in der Planung aber auf den Lift vergessen wird, ist nachträglich mit einer enormen Mehrbelastung in technischer wie in finanzieller Sicht zu rechnen.
Wichtig ist, dass sich Unternehmen nicht erst 2025 mit dem Thema befassen und notwendige Maßnahmen setzen, sondern jetzt schon beginnen. Damit kann ein Chaos ähnlich wie bei der Einführung der DSGVO verhindert werden.