Presseinformation: Software Branche zieht Bilanz zu einem Jahr Corona

19. April 2021 Allgemein

Die Corona-Krise hat uns nach wie vor im Griff. Der VÖSI hat dazu die Stimmung innerhalb der Branche erhoben. Fazit: Wenn auch die IT-Unternehmen bislang eher zu den Krisen-gewinnern gehörten, gab es doch einiges an Einbußen und verlorenen Aufträgen.

Die Wirtschaft und die Unternehmen waren bislang von der Corona-Krise massiv beeinträchtigt, viele mussten sich über Nacht anpassen, die Mitarbeiter ins Home-Office verlagern oder Prozesse anpassen und digitalisieren. Einige Branchen wie Tourismus, Gastronomie, Handel aber auch Kultur waren und sind vom Lockdown bzw. den Schließungen stark betroffen. „Wo diese Branchen zum Kundenkreis von IT- und Software Unternehmen zählten, da war die IT-Branche als „Enabling-Branche“ auch beeinträchtigt“, zieht Peter Lieber, Präsident des Verbands Österreichischer Software Industrie (VÖSI), über das letzte Jahr seit dem Start der Krise im März 2020 Bilanz. „Die Branche ist in Veränderung – in einigen Bereichen wird es zu Konsolidierungen und Insolvenzen kommen, etwa in Betrieben, die Individual-Software entwickeln, aber auch bei Herstellern von Lösungen für stark betroffene Branchen.“ Die aktuelle wirtschaftliche Lage ist ernst, warnt Lieber: „Sollte es nicht bald zu einer geordneten Öffnung für alle Betriebe kommen, droht eine massive Pleitewelle, die dann natürlich auch die IT-Branche massiv treffen wird.“

Informationstechnologie (IT) eindeutig aufgewertet

Die Corona Krise hat sich als Motor für IT und Digitalisierung erwiesen, unterstreicht Peter Lieber: „Es ist keine Frage mehr ob man IT braucht – Software und IT sind für jedes Unternehmen heute unverzichtbar. Corona hat eines gezeigt: Je digitalisierter Unternehmen waren, desto besser kamen sie bislang durch die Krise. Allerdings muss man nicht alles selbst machen. Meine eigenen Software Unternehmen haben ihre komplette IT schon seit Jahren ausgelagert, damit wir uns auf unsere Kernkompetenzen im Bereich Modellierung konzentrieren können.“ IT-Themen wie Cloud Computing, Cyber Security, neue Workplace Lösungen aber auch Künstliche Intelligenz und Automatisierung werden 2021 eine große Rolle spielen. Dem Thema „KI für das Engineering und das intelligente Unternehmen“ ist auch der Software Day 2021 gewidmet, der am 29. September bereits zum fünften Mal als Leistungsschau und Treffpunkt der heimischen Software Branche in der WKÖ stattfindet und vom VÖSI organisiert wird. www.softwareday.at

Wunsch an die Politik

Statt der „Sperren wir einfach alles zu“-Strategie und dem andauernden Verschieben von Fristen wünscht sich der VÖSI mehr Eigenverantwortung: „Die Unternehmen haben in den letzten Monaten vielfach Konzepte und Lösungen entwickelt, die zeigen, wie sie den Alltag trotz und mit der Krise bewältigen können. Dabei hat die Gesundheit von Mitarbeitern und Kunden selbstverständlich oberste Priorität“, betont VÖSI Präsident Peter Lieber. Mit Blick nach vorne meint Lieber: „Wenn wir etwas gelernt haben sollten, dann ist es eines: Die Zukunft gehört denen, die mit digitalen Medien, Software und Komplexität umgehen können – und das kann man lernen. Daher gilt es, massiv in den Bereich digitale Bildung und Weiterbildung zu investieren – sowohl in den Schulen als auch im Sinne von lebenslangem Lernen.“

Eigene Erfahrungen bei SparxSystems, SparxServices und LieberLieber Software

„In der ersten Phase haben wir in unserer Firmengruppe alle Aufträge im Bereich Training und Consulting verloren, auch eine Event in Deutschland für ca. 300 Teilnehmer mit enormen Kosten konnte nicht mehr storniert werden. In den ersten drei Monaten haben wir auch Kurzarbeit genutzt, aber seither auf Home Office und ganz wenig Büro-Präsenz umgestellt“, gibt VÖSI-Präsident Peter Lieber, Eigentümer von SparxSystems, SparxServices und LieberLieber Software, Einblick in eigene Erfahrungen. „Die Unternehmenskunden haben sich nach anfänglicher Schockstarre auf die aktuelle Lage eingestellt: Seit dem Sommer finden wieder Remote Training, Consulting und Coaching statt. Fazit: Im zweiten Quartal gab es zwar Verluste, aber im zweiten Halbjahr konnten wir einige Abschlüsse erzielen. Im Moment wird allerdings nur absolut Notwendiges gekauft, die Nice-to-Haves oder Wäre-Schön-Funktionen werden derzeit verschoben“, so Lieber.

Kurzarbeit war großer Aufwand

In der Praxis war die Kurzarbeit mit einem großen Aufwand verbunden, kritisiert Lieber: „Die Anträge für Kurzarbeit waren mehrfach abzugeben. Die Zahlungen erfolgten anfangs schleppend, später vorhersehbar. Im September 2020 haben wir die Kurzarbeit in der Firmengruppe beendet, mittlerweile haben wir sogar wieder neue Mitarbeiter aufgenommen.“ Dieses Beispiel entspricht auch dem Vorgehen der VÖSI-Mitgliedsunternehmen: In den ersten Monaten wurde Kurzarbeit vielfach in Anspruch genommen – mit mehr oder weniger große Abwicklungsproblemen.

Das sagen VÖSI Mitgliedsunternehmen

Peter Fleischmann, Geschäftsführer InfraSoft und VÖSI Vorstand, meint: „Die Krise hat dem Home Office einen neuen Stellenwert gegeben. Dabei sind neue Software-Themen in den Fokus gerückt wie etwa Bandbreiten der Netzanbindung, Meeting- und Collaboration-Software und zusätzliche Investitionen in Hard- und Software-Komponenten.“ Vor diesem Hintergrund sieht Fleischmann auch die heimische IT-Branche in Zukunft stark gefordert: „Die Themen Digitalisierung, Home Office und damit im Zusammenhang stehend „digitale Security“ sowie die notwendige Bandbreite werden die Unternehmen und damit die IT-Branche heuer stark beschäftigen. Die Krise hat den Stellenwert einer gut abgestimmten und funktionierenden IT deutlich erhöht.“ Sein persönlicher Tipp an Unternehmen: „Investitionen tätigen, nichts auf die lange Bank schieben in der Hoffnung, dass die Rückkehr zur früheren „Normalität“ die Anschaffungen in Hardware, Software und Infrastruktur hinfällig macht.“ Von der Politik wünscht sich Fleischmann „keine Panikmache, sondern klare Regeln und Vorgaben. Die Leute müssen verstehen, was warum einzuhalten ist – und das sollte dann über eine längere Periode gelten.“

Klaus Veselko, Geschäftsführer CIS (Certification Information Security Services) und VÖSI Vorstand, sieht kritisch, „dass die reale Umsetzung der Förder- und Unterstützungsmaßnahmen für die Unternehmen viel zu lange dauert. Hier sollten Prozesse in Zukunft dringend verbessert, beschleunigt und digitalisiert werden. IT Unternehmen haben die Krise bislang recht gut bewältigt, das liegt auch daran, dass sie schon Jahren Themen wie Home Office, Online Meetings und Remote Arbeit praktizieren. Nur die Intensität dieser „Virtualität“ hat sich verändert, sie ging schlagartig von rund 20 auf hundert Prozent. Viele IT-Unternehmen haben zudem ihre Kunden, etwa durch kostenfreie Nutzung von Software Lösungen, unterstützt – denn natürlich geht es der IT-Branche darum, dass auch ihre Kunden weiter existieren können. Die Krise hat hier sicher ein Zusammenrücken bewirkt.“ Auch er sieht die Krise eindeutig als Turbo für die Digitalisierung: „Es war weder der CEO, noch der CIO oder der CDO – COVID19 ist der wahre Treiber der Digitalisierung.“ Aus seiner Perspektive sind künftig die Themen IT-Security, aber auch ein Krisen-Bewusstsein und eine entsprechende Strategie im Unternehmen ganz wichtig: „Business Continuity Management (BCM) ist das Gebot der 2020er Jahre, nur wenige Unternehmen haben bislang ein strukturiertes und effektives BCM implementiert.“ Veselko empfiehlt „eine Zertifizierung nach ISO 22301 (BCM), viele Firmenkunden verlangen heute schon diese Zertifizierung von ihren Lieferanten, um Lieferketten nicht zu gefährden.“

Nahed Hatahet, CEO bei HATAHET productivity solutions und VÖSI Vorstand, hat aus der Corona-Krise bereits für sein eigenes Unternehmen Konsequenzen gezogen: „Home Office funktioniert so gut, dass wir beschlossen haben, unsere Bürofläche zu verkleinern. Wir sind dazu umgezogen. So sparen wir uns Mietkosten und werden auch nach der Krise Home Office stark fokussieren.“ Das ist auch extern für die Kunden ein Signal, er will hier mit eigenem guten Beispiel vorangehen, betont Hatahet: „Wir liefern Lösungen zum digitalen Arbeitsplatz und helfen Unternehmen zu einer modernen Arbeitskultur, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Wir haben derzeit eine große Nachfrage: Gefühlt will jetzt jeder den modernen, digitalen Arbeitsplatz realisieren und sucht hier nach langfristigen Konzepten und Lösungen.“ In der Branche sieht Hatahet „für Firmen, die sich auf Cloud und moderne Arbeitsplatzlösungen spezialisiert haben, eine eher rosige Zukunft. Die digitalen Förderungsmöglichkeiten des Staates wirken zusätzlich und liefern einen positiven Reiz für Investitionen. Schlecht läuft es leider für viele Ein-Personen-Unternehmen (EPU), sie wurden von der Pandemie vielfach stark getroffen.“ Insgesamt beurteilt er die IT als „Rettungsanker in der der Krise. Wir alle können sehr froh sein, dass uns IT- und Telekommunikations-Lösungen helfen. In dieser so kontaktlosen Zeit verbinden diese Technologien uns Menschen – nicht nur im Business-Umfeld, sondern auch zu Hause oder in den Schulen und anderen Einrichtungen.“ Hatahets Wunsch an die Politik ist, „dass die Themen effektiver und effizienter behandelt werden, anstatt sich mit internen Anschuldigungen zu beschäftigen. Schön wäre es zudem, wenn der Staat und öffentliche Einrichtungen ihre Prozesse – etwa Fördermaßnahmen und das Einreichen von Formularen – endlich durchgängig digital abbilden. Ein sehr gutes Beispiel dazu ist aus meiner Sicht Mein Wien.“

Gerald Bozek, Senior Bid Manager bei ATOS und VÖSI Vorstand, sieht krisenbedingt ein echtes „Aufwachen“ bei vielen Unternehmen: „Die Unternehmen beschäftigen sich jetzt intensiv mit der Frage, wie sie Technologie besser beziehungsweise wirklich sinnvoll in ihre Produkte, Services und Prozesse integrieren können. Zudem haben viele Betriebe ihre Innovations-Initiativen beschleunigt, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. Der Branche dürfte demnach noch ein sehr dynamisches Jahr bevorstehen.“ Zwei große Technologiethemen sind derzeit bestimmend, sagt Bozek: „Im Zuge der Krise haben die Bereichen ‚Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung an Aufwind gewonnen. Denn durch die Automatisierung von Routinetätigkeiten, manuellen, mühsamen und fehleranfälligen Prozessen und Workflows sowie von repetitiven Kundenanfragen, die zum Teil auch Systembrüche aufweisen, kann ein rascher Return on Investment erreicht werden. Zweitens stehen Aspekte wie Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung wieder ganz oben auf der Agenda der Unternehmen – und mithilfe neuer Technologien können Ökologie und Wirtschaftlichkeit gut miteinander vereinbart werden. Zur Ökologisierung trägt auch ein Vermeiden von täglichen Fahrten und Dienstreisen bei, hält Bozek fest: „Virtuelle Meetings und Veranstaltungen sind in kurzer Zeit immer professioneller geworden und die Menschen haben sich bemerkenswert schnell daran gewöhnt. Das hilft uns schlussendlich auch, unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Remote Working und Home Office sind gekommen, um zu bleiben. Führungskräfte müssen daher ihr Führungsverhalten entsprechend neu denken – Stichwort: Digital Leadership.“ Auch Bozek äußert Wünsche an die Politik: „Es besteht nach wie vor Nachholbedarf beim flächendeckenden Breitband- und 5G-Ausbau, auch in ländlichen Regionen. Besonders wichtig ist die Adaptierung des gesetzlichen und versicherungstechnischen Rahmens, um flexibles Arbeiten und Home Office zu ermöglichen.“